Gerade als die Textilpflegebranche ein Licht am Ende des Tunnels der Coronavirus-Pandemie zu sehen scheint, steht sie vor einer weiteren Krise. Diesmal aufgrund des massiven und noch nie dagewesenen Anstiegs der Energie- und Textilpreise. So haben sich die Preise für Öl, Gas und textile Fasern seit dem letzten Jahr fast verdoppelt. Die Entwicklung trifft eine Branche, die als Zulieferer des von der Pandemie besonders schwer betroffenen Hotel-, Gastronomie- und Veranstaltungssektors ohnehin schwer angeschlagen ist.
Nachdem die Textilservice-Branche in den vergangenen Monaten durch die Corona-Massnahmen bereits mit massiven Umsatzeinbrüchen zu kämpfen hatte, wird nun auch das Wiederhochfahren erschwert. Denn in vielen Kostenbereichen steigen die Preise.
Der Verband Textilpflege Schweiz VTS zeigt sich besorgt darüber, wie sich die rapide steigenden Energiepreise auf die Wäschereien und Textilreinigungen auswirken und bezeichnet die Erhöhungen als alarmierend. Sie kommen zu einer Zeit, in der gewerbliche Betriebe angesichts von Personalknappheit und steigenden Kosten für Rohstoffe und textile Fasern Schwierigkeiten haben, die Nachfrage zu befriedigen. Die steigenden Preise könnten zu einem noch stärkeren Preisdruck für gewerbliche Textilservice-Kunden in den Bereichen Gastgewerbe, Gesundheitswesen und Industrie führen.
Gleichzeitig ist der Konkurrenzdruck in der Branche enorm. Die Betriebe wollen ihre ebenfalls wirtschaftlich angeschlagenen Kunden nicht verlieren. Die steigenden Kosten lassen sich jedoch nicht wegdiskutieren. Der Verband Textilpflege Schweiz VTS warnt vor diesem Hintergrund vor einem Preiskampf in der Branche, wie er sich bereits in anderen Ländern abzeichnet.
Energie treibt die Kosten in die Höhe
Seit Anfang 2022 steigen die Kosten an den Rohstoffbörsen (Öl, Gas) stetig an. Die Problematik hat sich durch den Krieg in der Ukraine weiter verschärft. Dadurch ist es für Betriebe nahezu unmöglich, Energiepreise exakt zu kalkulieren und einzuplanen. Auch die Stromanbieter haben für 2022 durchschnittliche Preissteigerungen von rund zehn Prozent angekündigt.
Allein der Ölpreis hat sich in den vergangenen 12 Monaten nahezu verdoppelt. Im aktuellen Jahr soll der durchschnittliche Ölpreis den IWF-Schätzungen zufolge um 11,9 Prozent zum Vorjahr steigen. Für die Textilservice-Branche ist das hart. Der Energieaufwand ist für Textilreinigungen und Wäschereien mit rund fünf bis sieben Prozent des Gesamtaufwands ein grosser Kostenfaktor. Weiter ist auch die CO2-Abgabe von CHF 96.00 pro Tonne CO2 auf CHF 120.00 gestiegen, was einer Steigerung von 25 Prozent gleichkommt.
Rechnet man nicht nur die Energiekosten, sondern auch die Wasser-, Abwasser- und Kraftstoffkosten, machen diese je nach Betriebsart bis zu zehn Prozent der gesamten Ausgaben aus. Bereits im letzten Jahr gab es auch hier deutliche Preisanstiege, wobei der Trend noch nicht gebrochen ist.
«Seit vielen Jahren unternimmt die Textilpflegebranche vieles, um den Energieverbrauch zu senken», so Melanie Saner, VTS-Geschäftsführerin: «Ein hygienischer Prozess wie das Aufbereiten von Textilien kann aber nicht ohne Energie erfolgen. Dabei machen diese Kosten etwa zehn Prozent der Gemeinkosten einer gewerblichen Wäscherei aus. Wenn sich
März 2022
die Energiepreise vervielfachen, sollte nachvollziehbar sein, dass dies nicht spurlos an einem Betrieb vorbeigeht.»
Kosten für Rohstoffe und Zwischenprodukte
Ähnliche Kostensteigerungen gibt es bei Rohstoffen und damit verbunden bei Zwischenprodukten. Betroffen sind etwa die Anschaffungskosten für textile Fasern. Die Beschaffung von Textilien macht rund 23 Prozent der Kosten im Textilservice aus. Der durchschnittliche Preisanstieg, beispielsweise für Polyesterfasern und Baumwolle, lag im Verlauf des Jahres 2021 im deutlich zweistelligen Prozentbereich. Anfang Februar stiegen die Kosten für ein Pfund Baumwolle auf ein Mehrjahreshoch von 130 US-Cent. Als Resultat daraus stiegen auch die Erzeugerpreise für Arbeits- und Berufskleidung sowie für Flachwäsche. Hinzu kommen weitere Kostentreiber wie z.B. Material für Verpackungen, Chemie oder Unterhalt. Auch sie machen einen nicht zu unterschätzenden Anteil an den Gesamtkosten aus.
Der VTS empfiehlt allen Textilpflegebetrieben, sich dringend auf diese Erhöhungen einzustellen und ihre Lieferanten um Rat zu fragen. «Dies ist besonders wichtig für diejenigen, die flexible Energieverträge haben oder deren bestehende feste Energieverträge in den nächsten sechs Monaten auslaufen», so Saner. Zudem müsse wohl oder übel auch mit Kunden das Gespräch gesucht werden, weil ab einem gewissen Punkt die steigenden Kosten nicht mehr von den Textilpflegebetrieben alleine getragen werden können.
Die Branche im Überblick
Die Textilpflegebranche beschäftigt rund 7000 Mitarbeitende in der Schweiz. Viele Spitäler, Alters- und Pflegeheime sowie Betriebe aus der Gastronomie, der Lebensmittel- oder Pharmaindustrie lassen ihre Textilien in industriellen Wäschereien aufbereiten. Ohne diese Dienstleistung kämen viele Bereiche der Schweizer Wirtschaft zum Stillstand.